Der Kampf um die Freiheit ist lanciert
Ergibt alles überhaupt noch einen Sinn? RAI - ein wirklich dezentraler Stablecoin, Ein persönlicher Weckruf
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Market Update: Ergibt alles überhaupt noch einen Sinn?🟢
RAI – Ein wirklich dezentraler Stablecoin🔵
Ein persönlicher Weckruf 🟡
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🟢 Market Update: Ergibt alles überhaupt noch einen Sinn?
geschrieben von Pascal Hügli
In unserem (ersten) Video-Market-Update für Juli sind wir davon ausgegangen, dass eine Erholung einsetzen wird. In unserem letzten Market-Update haben wir diese Ahnung etwas mit «Fakten und Zahlen» zu unterlegen versucht.
Die vergangene Wochen waren denn auch tatsächlich von steigenden Preisen geprägt. Insbesondere Ether hat diese Erholung an den Kryptomärkten angeführt. Der heiss erwartete Merge-Event (hier unser Beitrag zum Nachlesen) soll nun um den 18. September – also in rund einem Monat – auch tatsächlich über die Bühne gehen. Die Zeichen stehen also gut, oder?
Die Bären frohlocken
Just auf das Wochenende hin hat der Kryptomarkt mächtig nachgegeben. Eben erst noch war Bitcoin leicht unter $24k und ehe man sich versieht, versucht sich die Kryptowährung über der 21'000 US-Dollar zu halten. Natürlich hat diese Preisbewegung einmal mehr die Bären aus der Reserve gelockt:
Warum aber ist es zu dieser harschen Korrektur gekommen? Wie immer können wir nur spekulieren. Ein Einfluss dürften die rund zwei Billionen US-Dollar (siehe Bild unten) an Optionen auf Aktien gehabt haben, die gestern ausgelaufen sind und ihre Inhaber somit vor die Entscheidung stellten, ob sie ihre bestehenden Positionen verlängern oder gar neue eröffnen werden. Wie immer führen solche Ereignisse zu kurzfristigen Marktbewegungen, nicht zuletzt aufgrund der Unsicherheit, welche Entscheidung die Marktteilnehmer im Aggregat treffen werden.
Der schöne Setup ist gebrochen
Mit dieser doch starken Korrektur nach unten stellt sich natürlich die Frage: Was ist aus der Erholungsrally geworden? War diese nur ein zweiwöchiges Strohfeuer, das jetzt langsam ausbrennt? Aus Trader-Sicht ist dieser Kurssturz am Kryptomarkt vor allem aus folgenden Gründen unvorteilhaft: Die positiven Chart-Setups der vergangenen Wochen sind zunichte gemacht, der Trend ist nun wieder abwärts gerichtet und Trader, die sich vor ein paar Tagen eingekauft haben und jetzt unter Wasser sind, werden versuchen, bei erneuten Erholungen mit Gewinn aus ihren Positionen zu kommen.
Die kurze Frist und die technischen Indikatoren betrachtend sieht es nicht rosig aus:
UPDATE: Definitiv eine schmerzhafte Woche für Risikoanlagen, da der Anstieg des US-Dollars den Risiko-Assets geschadet hat.
Der Bitcoin-Preis hat noch nicht einmal den gleitenden 100-Tage-Durchschnitt zurückerobert, was kein positives Zeichen ist.
Einige zuvor bullische Bitcoin-Miner sind auf eine bärische Stimmung umgeschwenkt.
Spannend ist, dass einer der Setup bislang noch nicht wirklich nachgegeben hat. So ist das ETH-BTC-Verhältnis erstaunlich stark/stabil geblieben. Da zeigt: Wer derzeit in Ether verharrt, dürfte von allen Kryptoassets einen der relativ stärksten Coins halten und einem kurzfristig vorteilhaften Risiko-Rendite-Verhältnis ausgesetzt sein.
Dieser Chart zeigt den Ether-Preis in Bitcoin ausgedrückt. Dieses Verhältnis bleibt in den letzten Tagen erstaunlich stabil, was als ein Hinweis auf eine derzeit relative Stärke von Ether gedeutet werden kann.
Wie geht es weiter?
Würde uns jemand eine Pistole an den Kopf halten und uns zu einer Aussage zwingen, dann würden wir bis Ende Jahr wohl eher auf die bullische Seite lehnen. Die Begründung dafür? Wir haben sie in mehreren Newsletter-Beiträgen über die vergangenen Wochen ausgeführt. Peak bei Inflationserwartungen sowie auf Zinsmärkten, Korrelation zu den traditionellen Märkten, US-Zwischenwahlen (hier, hier und hier).
#Bitcoin- Der Plan ändert sich nicht. Der Sommer des Auf und Ab geht weiter.
Scheinbar paradox aber gleichwohl wichtig ist: Man kann derzeit bärisch sein, was die Wirtschaft betrifft – vor allem in Bezug auf eine kommende Rezession im nächsten Jahr (mehr dazu in einem der nächsten Beiträge) – und aktuell doch eher in bullischer Stimmung verbleiben, weil die Zeichen für das Weiterlaufen der Erholungsrally noch nicht erloschen sind. In Richtung dieser Haltung neigen wir von Insight DeFi und besonders gut auf den Punkt gebracht wird sie in diesem langen, aber sehr aufschlussreichen Makro-Talk (Englisch) hier auf YouTube:
DeFi on Bitcoin
Er sagt, er braucht keine Bank, denn er ist seine eigene Bank.
DeFi auf Bitcoin erwacht aus dem Dornröschenschlaf. Die neue Werbekampagne des Sovryn Protokoll für einen 0% Kredit. Bald werden wir von Insight DeFi ein Paper über DeFi on Bitcoin veröffentlichen. Stay tuned.
🟡RAI – Ein wirklich dezentraler Stablecoin
geschrieben von Manuel Jungen
Die Ausgangslage: Das Märchen der Dezentralität
Mit grossen dem Worten wie «dezentral» wird in der Kryptowelt gerne um sich geworfen. Kaum ein Kryptoprotokoll bezeichnet sich selbst nicht als dezentral - vollkommen egal wie zentralisiert es wirklich ist. Dies oftmals mit der Rechtfertigung, dass auch wenn man derzeit noch zentralisiert aufgestellt sei, der Weg zur vollständigen Dezentralisierung - gemäss Roadmap - kurz vor der Implementierung stünde.
In den vergangenen Tagen wurde einem nun aber einmal mehr vor Augen geführt, wie wichtig Dezentralität tatsächlich ist.
Was genau ist passiert? Finanzen.ch berichtete folgendes:
«Das US-Finanzministerium hat Tornado Cash - einen sogenannten Mixer-Dienst, der Nutzern die Anonymisierung ihrer Krypto-Transaktionen verspricht - offiziell verboten. Nach Angaben des Ministeriums habe der Dienst seit seiner Einführung zur Wäsche von Erträgen aus Cyberkriminalität gedient. Es seien mehr als sieben Milliarden Dollar "gewaschen" worden - diese Zahl entspricht dem Gesamtwert der Kryptoassets, die seit dem Start von Tornado Cash verschickt wurden.»
Kurz nach dieser Ankündigung wurde dann auch einer der vermeintlichen Entwickler von Tornado-Cash verhaftet. Über dieses umstrittene Protokoll haben wir von Insight DeFi übrigens vor ein paar Wochen berichtet.
Die Verhaftung erscheint problematisch, zumal es unzählige völlig legitime Gründe gibt, weshalb ein Nutzer Tornado-Cash verwenden möchte. Ein solcher Grund lieferte bspw. Ethereum Co-Founder Vitalik Buterin, welcher beschrieb, wie er mittels Tornado-Cash sicherstellen wollte, dass seine Spenden an die Ukraine nicht nachzuverfolgen sind - eine Schutzmassnahme vor potenziellen Repressionen des russischen Staates also.
Unter dem Strich wurde nun also ein Software-Entwickler verhaftet, dessen Code potenziell für illegale Aktivitäten genutzt werden kann. Wo würden wir landen, wenn wir diese Argumentationsweise auf etwa Waffenhersteller oder Hersteller von Brechstangen anwenden würden? Mehr dazu im Beitrag von Daniel Jungen.
Kurz nach Ankündigung des Bans von Tornado-Cash fror Circle, Herausgeber des Stablecoins USDC, bestimmte, mit Tornado Cash in Verbindung stehende, Adressen ein. Auch andere Protokolle wie Aave trafen ähnliche Vorkehrungen und bannten gewisse Adressen. Diese Ereignisse zeigen schön, dass nicht alles, was als dezentral vermarktet wird, dies in Krisenzeiten auch tatsächlich ist. Allzu oft bestehen immer noch zentralisierte Attack-Vektoren, auf welche Behörden und Regulatoren konzentriert Druck ausüben können, um Regulierungen durchzusetzen.
Die Schlussfolgerung drängt sich auf: Der Weg vorwärts muss dezentral sein!
In Bezug auf dezentrale Stablecoins werden gerne Maker (DAI) oder Frax genannt. Doch auch hier gilt: der Schein trügt. Ein Blick auf Maker, bzw. dessen Collateral, welches als Sicherheit für den Stablecoin DAI dient, zeigt: Ein Grossteil des Collaterals hängt vom Vertrauen in eine zentralisierte Partei ab und somit angreifbar. So werden rund 60 % der DAI mit USDC als Collateral geminted. Dazu kommen andere Formen von Collateral wie wBTC, TUSD, GUSD, PAX, USDT u.a., welche ebenfalls auf einer Vertrauensannahme basieren (etwa weil dem Brückenprotokoll vertraut werden muss). Bei Frax ist die Ausgangslage nicht viel anders – dort wird exklusiv USDC in verschiedensten Formen als Collateral verwendet. Das Resultat ist dasselbe.
Übersicht über das von Maker verwendete Kollateral – Stand: 27.Juni 2022
Enter: Reflexer/RAI
Hier kommt das Refllexer-Protokoll mit seinem Token RAI ins Spiel,eine Fork des Maker-Protokolls. RAI zielt darauf ab, ein Asset mit geringer Volatilität zu sein, ohne sich auf einen anderen stabilen Vermögenswert zu stützen (Fiat-Währungen oder Gold sind die traditionellsten und daher naheliegendsten) und ohne stetig einen fixierten Kurswert aufzuweisen (bspw. 1 USD). Um dies zu erreichen, stützt sich RAI auf ein System, das dynamisch auf die Marktbedingungen reagiert.
Identisch wie Dai können RAI vom Nutzer des Protokolls direkt geminted werden. Nutzer können einen Safe eröffnen, der es ihnen erlaubt, ETH als Collateral zu staken und eine proportionale Menge RAI zu minten. Jeder Nutzer kann die Anzahl an RAI wählen, die er für seinen ETH-Stake erhält (-> verschiedene Risikostufen) und muss seine Position selbst verwalten. Bei Kursschwankungen sind Liquidationen möglich und auch notwendig, da sie sicherstellen, dass immer genügend ETH im System vorhanden sind, um die ausgegebenen RAI zu decken. Allerdings werden Liquidationen im Reflexer-Protokoll durch einen «Savior (Retter)» optimiert. Sollte der Preis von ETH stark fallen, so zieht der «Savior» automatisch die Menge an Liquidität ab, die erforderlich ist, um den Safe wieder auf das gewünschte Collaterialisierungslevel zu bringen. Es wird also nur so viel wie gerade nötig liquidiert, statt wie üblicherweise die gesamte Position.
Im Unterschied zu Maker besteht bei Reflexer nur die Möglichkeit, ETH als Collateral zu verwenden, was zusätzliche Unabhängigkeit von zentralisierten Institutionen schafft.
Wie kann RAI seine Stabilität wahren?
Zwei Schlüsselfaktoren müssen berücksichtigt werden:
Der Rückzahlungspreis von Rai = wie viel Wert hat eine Einheit der Schuld im Reflexer-System?
Der Marktpreis von Rai
Das System selbst hat keine Kontrolle über den Marktpreis von Rai, welcher ausserhalb des Protokolls auf Börsen wie Uniswap etc. gehandelt wird. Nichtsdestotrotz kann es bestimmte Parameter verändern, welche den Rückzahlungspreis beeinflussen und so dazu führt, dass sich die beiden Preise von 1. und 2. aufeinander zubewegen. Am einfachsten lässt sich dies anhand eines Beispiels veranschaulichen.
Szenario 1: Marktpreis > Rückzahlungspreis
Dieses Szenario ist am einfachsten zu verstehen: Übersteigt der Marktpreis den Rückzahlungspreis bedeutet das, dass eine Arbitragemöglichkeit für jeden Halter von ETH entsteht:
ETH im Safe staken/deponieren und RAI minten
RAI im Markt mit einem Profit verkaufen
Sobald der Marktpreis wieder = oder < dem Rückzahlungspreis ist: Kauf von Rai auf dem Markt und Rückzahlung der Schuld um die gestakten/deponierten ETH zurückzuerhalten. Der Profit beläuft sich auf die Differenz zwischen den zwei Preisen von RAI minus der Transaktionsgebühren.
In diesem Szenario existiert also ein Anreiz, RAI zu minten (das Angebot zu erhöhen) und es auf dem Markt zu verkaufen, was einen Abwärtsdruck auf den RAI-Preis ausübt und ihn so nach und nach reduziert bzw. zum Rückzahlungspreis konvergieren lässt.
Szenario 2: Marktpreis < Rückzahlungspreis
Im umgekehrten Fall, wobei der Rückzahlungspreis den Marktpreis übersteigt, bedeutet das, dass die existierende Schuld teurer wird. Nutzer mit einem aktiven Safe haben ein Interesse daran, ihre Schulden zurückzuzahlen, wodurch sich das verfügbare Angebot an RAI verringert.
Wenn Sie ausserdem Ihre RAI für ein anderes Assets verkauft haben (z.B. für ETH um Leverage zu generieren), müssen Sie nun RAI auf dem Markt wieder kaufen und kreieren so einen Aufwärtsdruck auf den Marktpreis von RAI.
Dynamische Zinsraten
Die dynamische Anpassung der Zinsraten ist eines der grundlegenden Features des Reflexers. Der dynamische Zinssatz von Rai (redemption rate genannt) besagt jeweils, zu welchem Preis Rai zurückbezahlt werden muss, ausgedrückt in der APY. Wenn der Zinssatz also 10% ist und der Marktpreis 3 USD, dann würde bei gleichbleibendem Zinssatz der Rückzahlungspreis in einem Jahr bei 3.30 USD stehen. Der Algorithmus legt einen zur Abweichung des angepeilten Rückzahlungspreis proportionalen Zinssatz fest, welcher von Haltern von RAI bezahlt werden muss oder erhalten wird (Zinssatz kann positiv oder negativ sein). Durch diesen Mechanismus werden Marktschwankungen abgefedert und die Anreize so gesetzt, dass der Marktpreis und der Rückzahlungspreis konvergieren.
RAI/Reflexer ist noch ein relativ kleines Projekt. Unserer Ansicht nach und in Anbetracht der aktuellen politischen Lage aber ein extrem wichtiges.
Disclaimer: Der Autor hält FLX-Token
Wortwörtlicher Shitcoin
In Zeiten wie den unsrigen, wo die Unsicherheit über die Zukunft nicht grösser sein könnte, gilt es, sich auch immer wieder an den lustigen Dingen im Leben zu erfreuen. Während wir bei Insight DeFi weder Bitcoin- noch Ether-Maximalisten sind, glauben wir doch fest daran, dass es in der Tat so etwas wie Shitcoins gibt – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes:
Der südkoreanische Professor Cho Jae-weon hat eine Toilette erfunden, die Fäkalien in Energie umwandelt und die Menschen in digitaler Währung bezahlt.
Eine Person setzt täglich etwa 500 g Kot ab, der in 50 Liter Methangas umgewandelt wird, das 0,5 kWh erzeugt.
Toilettenbenutzer verdienen Ggool, einen wortwörtlichen Shitcoin also. Ab auf die Toilette also!
🟡 Ein persönlicher Weckruf
geschrieben von Daniel Jungen
In den letzten beiden Wochen drehte sich die Krypto-Welt für einmal nicht um Bullen- und Bärenmärkte, Hacks, und die neuesten 1000x-Coins. Für kurze Zeit wurde das Krypto-Karussell an seinen fundamentalen Zweck und seine ursprüngliche Bestimmung erinnert, an den eigentlichen Grund, weshalb dezentralisierte Währungen und Netzwerke ins Leben gerufen worden sind.
Tornado Cash auf US-Sanktionsliste gesetzt
Begonnen hat alles am 8. August, als die US-Behörde OFAC (Office of Foreign Assets Control) eine Pressemitteilung veröffentliche, dass sie die Ethereum-Applikation Tornado Cash auf die US-Sanktionsliste gesetzt hat. Als Grund wurde genannt, dass die Anwendung unter anderem von nordkoreanischen Hacker dazu genutzt würde, gestohlene Kryptowährungen zu ‘waschen’. Ebenfalls wurden laut OFAC Kryptowährungen unlauteren Ursprungs im Wert von mehreren Milliarden Dollars mit Hilfe von Tornado Cash wieder in Umlauf gebracht.
Der Aufschrei über die Sanktion liess nicht lange auf sich warten. Kryptoianer aus der ganzen Welt zeigten sich äusserts besorgt über diese Entwicklung. Zum ersten Mal überhaupt wurde dezentralisierter Computer-Code auf eine Saktionsliste gesetzt, auf der sich bisher lediglich Länder, Firmen und Individuen befanden. Da aber Code laut US-Bundesgericht unter die Meinungsäusserungsfreiheit fällt, wurde durch diesen Schritt nach Auffassung diverser Twitter-Nutzer die US-Verfassung direkt verletzt.
Ebenfalls macht sich ab sofort jede US-Person strafbar, welche mit Tornado Cash interagiert, also Geld an Tornado Cash schickt oder vom Protokoll empfängt. Des Weiteren wird US-Bürgern ein legitimes Werkzeug genommen, dass entscheidend dazu beiträgt, die Privatsphäre bei Blockchain-Transaktionen zu wahren.
Eine erste Erkenntnis
Doch Applikationen auf einer dezentralen Blockchain sind zensur- und erlaubnisfrei – zumindest wird das immer wieder so betont. Jedoch bereits wenige Stunden nach der Mitteilung des OFAC war die Seite tornado.cash nicht mehr aufrufbar. Verwirrung stellte sich bei mir ein. Wie war das möglich?
Nun, die Antwort ist simpel. Die Applikation, als der Tornado Cash Smart Contract auf der Blockchain, ist nach wie vor aufrufbar (das Back-End). Die Webseite jedoch (das Front-End), welche den normalen Kryptobenutzer mit Tornado Cash interagieren lässt, ist auf zentralisierten Servern gelagert. Die Anbieter dieser Serverdienstleistungen haben nun die Webseite kurzerhand abgeschaltet, um nicht mit den OFAC-Bestimmungen in Konflikt zu geraten.
Doch nur wenig später wurden Kopien der Tornado Cash Webseite unter Alternativen Adressen aufgeschaltet. Dies ist möglich, da es ein Netzwerk von dezentralen, nicht zensierbaren Servern gibt (IPFS), auf welchem sämtliche Webseiten zensurfrei gehostet werden können. So kann Tornado Cash weiter genutzt werden. Doch US-Bürger machen sich durch die Nutzung nach wie vor strafbar.
Meine erste Erkenntnis aus diesem Fall ist: Nur weil die Anwendung auf einer Blockchain läuft (Back-End), heisst das nicht, dass die Webseiten (Front-End) nicht angreifbar sind. Gleichzeitig kann Tornado Cash aber nicht einfach abgeschaltet werden, sondern ist nach wie vor nutzbar, wie dieses Video (Englisch) zeigt.
Fun Fact:
Um die Absurdität der Situation zu verdeutlichen, hat ein anonymer Nutzer via Tornado Cash ETH an die Ethereum-Adressen von bekannten Persönlichkeiten geschickt – Darunter Shaq O'Neal, Jimmy Fallon, Beeple und viele mehr.
Theoretisch könnten sich jetzt alle diese Personen strafbar gemacht haben, da Ihre Adressen mit Tornado Cash interagiert haben. Fakt ist jedoch: Es gibt auf Ethereum keine Möglichkeit, hereinkommende Transaktionen abzulehnen oder zu blockieren. Nur, wie soll man nun beweisen, dass diese Transaktionen von Tornado Cash gegen den eigenen Willen stattgefunden haben?
Aus Eins mach Zwei, Drei, Vier …
Doch die Geschichte hört nicht bei Tornado Cash auf. Kurz darauf wurde bekannt, dass auch andere, grosse DeFi Protokolle wie Uniswap, Aave und Balancer damit begonnen haben, Wallet-Adressen zu blockieren, welche mit Tornado Cash interagiert haben.
Dies liess mich ein weiteres Mal aufhorchen. Wie war es möglich, dass die bekanntesten und umsatzstärksten DeFi-Protokolle, welche dank ihrer (zumindest angepriesenen) Dezentralität und Offenheit Milliarden an Kryptoassets über ihre Protokolle laufen liessen, einzelne Adressen blockieren konnten?
Die Antwort fiel gleich aus wie oben. Das Back-End, als die Smart Contracts, waren durchaus dezentralisiert und für alle zugänglich. Die Webseiten jedoch, welche von den jeweiligen Entwicklerteams verwaltet werden, können nach Belieben verändert und angepasst werden. Da sich die Entwicklerteams vor den allfälligen Konsequenzen durch den US-Staat fürchten, haben sie begonnen, Wallet-Adressen den Zugriff auf ihre Protokolle zu verweigern.
Grösser Wut gegen Aave, weil sie ihr Front-End zensieren
Dem einfachen DeFi Nutzer – sollte er denn blockiert worden sein – bleibt der Zugriff auf diese Dienstleistungen (zumindest kurzfristig) verwehrt. Nur noch geübte Programmierer, welche über die Fähigkeit verfügen, direkt mit den Smart Contracts zu interagieren, können die Protokolle weiterhin nutzen.
Meine zweite Erkenntnis ist: Nur weil die Anwendung (Smart Contract) dezentral ist, heisst das nicht, dass auch die Benutzeroberfläche dezentral ist. Die allermeisten DeFi Protokolle sind somit in der Lage, Nutzer von ihren Dienstleistungen auszusperren.
Verhaftung von Software-Entwickler
Dann erschütterte eine weitere Meldung die Krypto-Welt. In den Niederlanden wurde aufgrund der US-Sanktionen einer der Entwickler von Tornado Cash verhaftet.
Unter dem Vorwurf der Mithilfe zur Geldwäscherei und der Vertuschung von kriminellen Geldflüssen wurde der Programmierer von den niederländischen Behörden in Gewahrsam genommen.
Nun ist es durchaus so, dass Tornado Cash unter anderem für kriminelle Aktivitäten gebraucht wurde. Doch die Programmierer haben Tornado Cash ursprünglich zum Schutz der Privatsphäre entwickelt. Und war der Smart Contract erst einmal auf der Ethereum-Blockchain gespeichert, so hatten die Entwickler keinen Einfluss mehr darauf.
Wie ganz viele Objekte unseres Alltags - man denke an Waffen, Telefone, Bargeld, ja sogar Werkzeug - kann auch Software für kriminelle Machenschaften missbraucht werden. Dass nun die Entwickler dieser an und für sich äusserst nützlichen Software dafür geradestehen müssen, was Nutzer damit gemacht haben, wirft Fragezeichen auf.
Laut dieser Grafik – welche mit Vorsicht zu geniessen ist – wurde Tornado Cash nämlich zu einem grossen Teil für legitime Zwecke gebraucht.
Sollten Software-Entwickler in Zukunft für die Vergehen ihrer Nutzer haftbar sein, dürften wir uns rechtlich bald in äusserst unangenehmen Gewässern befinden.
Dezentralität und Zensurresistenz geben dem Nutzer mehr Macht und damit mehr Möglichkeiten. Dies kann sowohl zum Guten wie zum Schlechten gebraucht werden. Einmal mehr tobt der Kampf zwischen Freiheit und Kontrolle, zwischen Selbstverantwortung und Sicherheit.
Zensur von Wallet-Adressen bei Ethereum PoS
Zu guter Letzt haben die Sanktionen rund um Tornado Cash Fragezeichen bezüglich der Verantwortung von Ethereum-Validatoren aufgeworfen. Ethereum wird in Kürze von Proof-of-Work auf Proof-of-Stake wechseln. Durch den Wechsel werden die heutigen Miner von Validatoren abgelöst werden, welche in Zukunft an ihrer Stelle die Blockchain bauen werden.
Validatoren, welche einen Block für die Blockchain erstellen, können frei wählen, welche Transaktionen sie in ihren Block nehmen möchten. In den allermeisten Fällen werden diejenigen Transaktionen ausgewählt, welche die höchsten Gebühren anbieten und somit den Validatoren den grössten Profit bescheren.
Nun stellt sich aber die Frage, ob Validatoren in den USA auch Transaktionen von Wallet-Adressen ausführen dürfen, wollen und müssen, welche von OFAC geblacklisted – also ‘gesperrt’- wurden. Die Frage ist vor allem deshalb relevant, weil die meisten Investoren (66%) ihre ETH über eine Handvoll Pools staken.
Sollte die OFAC Druck auf diese Firmen ausüben, so werden sich diese entscheiden müssen, ob sie sich dem Druck beugen und zensieren, die USA verlassen oder ihren Betrieb einstellen. Entscheiden diese Pools, die entsprechenden Adressen gemäss OFAC zu zensurieren, so kann das Ethereum-Netzwerk nicht mehr als zensurresistent angesehen werden.
Die Frage ist dann, wie sich die Ethereum-Nutzer verhalten werden. Entweder werden sie die Zensur akzeptieren – oder aber die gestaken ETH Coins dieser Firmen werden durch social consensus geslashed (vernichtet).
Bis jetzt sind dies alles nur Spekulationen. Sollte es aber so weit kommen, dass Validatoren Transaktionen aktiv zensieren, wird sich die Ethereum Community dieser schwierigen Frage annehmen müssen.
Dieser Tweet beschreibt auf humorvolle Art und Weise, wie Bitcoin(er) sich eben diesem Problem ebenfalls stellen musste(n).
Bild 1: «Hallo Kollegen. Ich bin ein Cypherpunk in Ausbildung und bin leicht gestresst wegen dem kommenden Ethereum-Merge und der Möglichkeit, das Validatoren Transaktionen zensurieren könnten.»
Bild 2: «Hallo Held! Das ist eine Situation, welche die Bitcoiner bereits 2017 durchlebt haben, als Firmen Bitcoin zu übernehmen versuchten, indem sie Bitcoin Cash und Bitcoin Satoshi Vision lanciert haben.»
Bild 3: «Genauso ist es, kleiner Bruder. Es wurde damals ein Nutzer-Generierter-Soft-Fork durchgeführt und das war Bitcoins Unabhängigkeitserklärung von Firmen und Minern.»
Bild 4: «So wahr meine Brüder. Hör mir zu: Sollten diese Firmen versuchen, eure Ethereum-Blockchain zu zensieren, dann müsst ihr ihre Stakes zerstören. Wir feuern euch an, aber dies ist ein Kampf, den ihr alleine kämpfen müsst. Eure Zukunft hängt davon ab.»
Ein persönlicher Weckruf
Diese ganzen Ereignisse haben auch mich nochmals wachgerüttelt. DeFi und Blockchains haben sich in den letzten Jahren immer als dezentralisiert, staatsunabhängig, frei und zensurresistent verkauft. Und ich habe ihnen geglaubt!
Doch die Situation um Tornado Cash zeigt: Vieles hiervon war nur Marketing und die schöne Fassade der «dezentralen» DeFi-Protokolle beginnt zu bröckeln. Jedoch kann man es den Verantwortlichen nicht verübeln – denn, wer möchte schon Jahre ins Gefängnis wandern, nur um sein Protokoll zensurfrei zu halten?
Was sich jedoch einmal mehr zeigt: Möchte man wahrlich dezentrale Blockchains und Protokolle haben, welche gegen ‘Angriffe’ von Behörden und Staaten gewachsen sein sollen, so müssen diese von A bis Z vollständig dezentral gebaut sein. Jede zentrale Stelle wird über kurz oder lang angegriffen.
Ausserdem ist Anonymität für Entwickler ein wichtiger Schutz. Die Wahl Satoshis (Bitcoins Erfinder), seine wahre Identität nicht preiszugeben, entpuppt sich im Lichte der Tornado Cash Ereignisse als sehr weise Entscheidung.
Viele Bitcoiner haben vor oben beschriebenen Szenarien gewarnt und wurden oft belächelt. Nun, da sie eingetreten sind, bleibt abzuwarten, wie staatsresistent DeFi wirklich ist – oder ob am Ende alle Wege wieder zurück zu Bitcoin führen.
Um aber auf einer positiven Note zu enden: Die Technologien, um DeFi Anwendungen vollständig dezentral zu betreiben, sind grösstenteils bereits vorhanden und viele weitere sind in Entwicklung. Die Sanktion von Tornado Cash ist zwar ein Dämpfer für die Krypto-Community, dürfte aber in der langen Frist vor allem ein positiver Ansporn sein, DeFi Anwendungen noch zensurresistenter zu bauen. Wir dürfen uns also weiterhin auf eine dezentrale Zukunft freuen.